Kommentar nach der ersten Lesung im Landtag (12.04.2024)
Bekenntnisfreiheit, Religiöse Minderheiten
Die Einwohner Liechtensteins sollten alle gleiche Rechte haben im Zugang zu einer religiösen Grundversorgung, die ihrer familiären Identität entspricht. Das ist das Ziel des RelGG welches die Aktivität von alteingesessenen und gut integrierten Religionsgemeinschaften fördert. Die entsprechenden Institutionen werden staatlich anerkannt, nach strengen Kriterien (um Missbrauch durch Sekten zu verhindern).
Sobald die Kriterien gesetzlich definiert sind, ist das RelGG gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen offen. Damit eine religiöse Betreuung für alle, sich entwickeln kann, auch da wo Institutionen noch fehlen, ist es sinnvoll dass diese sich bilden (bzw. zusammenschliessen) .
Bestehende Religionsgemeinschaften
religiöse Identität |
Zahl (Volkszählung 2020) |
Typische Herkunft |
Institution für Grundversorgung |
Katholiken |
27179 |
Liechtensteiner. |
Römisch-Katholische Kirche,
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Protestanten |
3155 |
Schweizer |
Evang Kirche |
Deutsche |
Evang Lutherische Kirche |
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Orthodoxe Christen |
578 |
61 Griechen |
1 Orthodoxer Kirchenverband mit 3 Seelsorgern |
137 Serben |
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53 Ukrainer |
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Muslime |
2356 |
260 Bosniaken |
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445 Kosovaren |
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544 Türken |
verteilt in mehreren Vereinen |
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Buddhisten |
236 |
130 Tibeter |
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54 Thailänder |
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Korporative Religionsfreiheit
Jeder Bürger ist frei sich zu neuen religiösen Lehren und Bräuchen anzuschliessen und diese zu propagieren. Dafür kann er eine „privatrechtlich Organisierte Religionsgemeinschaft“ bzw . „Religionsgesellschaft nach Art.38 der Verfassung“ organisieren.
Es darf auch ein Investor auf privater Basis in ein Start-Up investieren („Start-Up Church“) nach den Regeln der freien Marktwirtschaft.
Es ist theoretisch nicht ausszuschliessen, dass solche „neue Religionen“ in der Zukunft staatlich anerkannt werden, aber nur wenn es sich herausstellt, dass sie dem Bedürfnis der religiöse Betreuung für einen signifikanten Teil der Bevölkerung nachhaltig entsprechen. Das ist durch das RelGG ermöglicht.
Die korporative Religionsfreiheit gilt auch für Atheisten und Agnostiker.
Allmähliche Aufweichung der Kriterien
Die Regierung hat sich bemüht von allen Vernehmlassungsteilnehmern mindestens einen Vorschlag zu übernehmen. Leider entsteht dadurch eine Aufweichung der Kriterien, insbesondere Art.8§a2 der eine Ausnahme für Ableger von „seit über 100 Jahren international tätigen Organisationen“ vorsieht, was zahlreiche Sekten aus dem 19.Jahrhundert beinhaltet.
Der Regierungschef hat bei der Landtagsdebatte zugestanden, dass die Bedingungen von Art 8 nicht urkundlich bewiesen werden müssen.
Die Regierung hat schon angefangen Subventionen zu verteilen (vielleicht um die Gemüter im Falle des Scheitern des RelGG zu beruhigen ?)
1) Der Orthodoxe Kirchenverband hat die 20-jährige ununterbrochene Aktivität nachgewiesen und die entsprechenden Urkunden eingereicht, das Bekenntnis zur Interreligiösen und ökumenischen Zusammenarbeit durch langjährige Praxis bewiesen, die Vertreter der 3 Untergruppen (Griechen, Serben , Ukrainer) waren anwesend. Der Verein entspricht explizit dem Art 8 . Im Jahr 2023 bewilligt Regierung 10000Fr .
2) Die Islamische Gemeinschaft im FL hat den Beweis für den Kauf einer Immobilie in Schaan gebracht und 198 Mitglieder deklariert (nur aus der türkischstämmigen Population). Der Verein würde explizit dem Art 14 entsprechen (und teilweise dem Art.8) . Im Jahr 2024 bewilligt die Regierung auch 10000Fr .
Der Verein für Menschenrechte hat eine Broschüre zur „Religiösen Vielfalt“ herausgegeben, mit den Bestehenden Religionsgemeinschaften aber auch mit über 10 Organisationen die ganz klar nicht den Kriterien des Art 8 entsprechen.
Gefahren einer Verzögerung
1) Politisierung
Bei den nächsten Landtagswahlen könnten religiöse Argumente die Kampagne zuspitzen. (DpL und FL haben es angekündigt, die Regierungsparteien möchten es verhindern). Mögliche Parolen : „gegen die Islamisierung Liechtensteins“, oder „nieder mit den Privilegien der katholischen Landeskirche“
2) Verkomplizierung.
Wenn das RelGG vertagt wird, bleibt ein (provisorischer) rechtsfreier Raum. Schon jetzt haben neue Organisationen begonnen sich in diesem Raum zu positionieren (und teilweise auch Geld zu investieren). Wenn dann später das RelGG wieder an die Tagesordnung kommt, gibt es eine Vielfalt von neu erworbenen Privilegien, was die Situation viel komplizierter machen wird.
Wenn das RelGG jetzt angenommen wird, sind die Spielregeln für alle klar. Die jetzigen „start-up churches“ werden vielleicht in 20 Jahren staatlich anerkannt, aber nur wenn sie beweisen können, dass sie einem nachhaltigen Bedürfnis der liechtensteinischen Bevölkerung entsprechen.
Liste einiger neu entstandenen Organisationen:
-1- Aus der Broschüre des VMR „Religiöse Vielfalt im Fürstentum Liechtenstein“
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Deklarierte Mitgliederzahl |
Glaubensrichtung |
Gemietete oder gekaufte Räumlichkeiten für den Gottesdienst |
Verein Offene Kirche |
640 |
Katholischer Verein |
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Freie Evangelische Gemeinde |
30 bis 40 |
Freikirchlich |
Schaan |
Grace Church |
2 |
Evangelikal (siehe Lie.Vaterland 14.1.2020, S.7) |
Buchs |
„Gemeinschaften mit christlichen Wurzeln“ |
105 |
Adventisten, Methodisten, Neuapostolische |
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Jüdische Gemeinschaft im FL |
25 |
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Zürich |
IGFL |
198 |
Millî Görüş - İslam |
Schaan |
Türkischer Kulturverein |
120 |
DITIB - İslam |
Eschen |
Tibeter Gemeinschaft |
130 |
Buddhismus (Dalai Lama) |
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Kloster Letzehof |
10 |
Buddhismus (westlich) |
Frastanz |
Baha’i |
15 |
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Life Church |
? |
Start Up 2022 (Pfingstler) |
Eschen |
-2- Beobachtung von Organisationen, die in den letzten Monaten in Liechtenstein aktiv wurden:
Ahmadija Moschee Zürich |
Ausstellung in Vaduz 2023 |
Islamisch |
Wachturm Gesellschaft |
Missionierung bei Touristen in Vaduz |
Zeugen Jehovas Buchs |
Griechisch-katholische Kirche |
Missionierung bei Ukrainer |
Ostkirchlich |
Runder Tisch der Religionen |
|
Haus Gutenberg |
Kostenloses Seminar |
in Vaduz jeden Freitag (Siehe Lie.Vaterland 3.4.2024, S.7) |
Paul Clark (als “church planter” bekannter Unternehmer) |
„Landesweite muslimisches Friedhofprojekt“. |
Siehe Leserbrief Vaterland 18.04.2024 S.12 |
„einzelne Gemeinden in vorerst geheimer Mission“ |
KIB (Kultur-Integration und Bildungsverein) |
kib.li: (bietet auch Religiöse Dienste ohne Angabe von Konfession). Event 18.05.2024 Lindahof Schaan |
„Kirchliche, politische oder säkuläre Vereinigung“ ? Catering Unternehmen ? |
Queere Community | "Seelsorgerin steckt im Aufbaustudium" (Liewo 2.6.24 S.19) | Recht auf Jesus , E.Goldinger St.Gallen |
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